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Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre
- die Pauschalbesteuerung gehört abgeschafft

Von Niklaus Scherr
Am 8. Februar 2009 kam es zur Sensation: Zürcherinnen und Zürcher sagten mit
einem Stimmenanteil von 52.9% Ja zu einer Volksinitiative der Alternativen Liste
(AL) und schafften die Pauschalbesteuerung, ein spezifisches Steuerprivileg für
ausländische Millionärinnen und Millionäre, ab. Seither wird die Pauschalbesteue-
rung auch in der übrigen Schweiz zur Disposition gestellt. Linksgrüne Parteien lan-
cierten in zahlreichen Kantonen Initiativen zur Abschaffung. Bundesrat und Fi-
nanzdirektorenkonferenz schlagen gesetzgeberische Verschärfungen vor. Im April
2011 hat die „Alternative Linke – La Gauche – La Sinistra“ die Unterschriften-
sammlung für eine eidgenössische Initiative zur landesweiten Abschaffung gestar-
tet.
Was ist die Pauschalbesteuerung?
Ausländische Millionärinnen und Millionäre, die in der Schweiz Wohnsitz nehmen, können auf
kantonaler wie auf eidgenössischer Ebene von der Pauschalbesteuerung profitieren. Zwingende
Voraussetzung dafür ist, dass sie in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausübenStatt auf der Basis
der effektiven Einkommen und Vermögen werden sie pauschal aufgrund ihrer mutmasslichen Le-
benshaltungskosten besteuert (Aufwandbesteuerung). Konkret müssen sie bloss einen Pauschal-
betrag - in der Regel den fünffachen Mietwert ihrer Wohnung oder den doppelten Pensionspreis -
als Einkommen versteuern. Auf diesem Betrag wird ihnen der ordentliche kantonale resp. eidge-
nössische Steuersatz verrechnet.
Konkordat 1948: Kein individuelles Steuerabkommen
1948 vereinbarten die Kantone ein Konkordat zum Ausschluss von Steuerabkommen, mit dem die
damals praktisch nur von den welschen Kantonen praktizierte Pauschalbesteuerung ausdrücklich
als zulässig erklärt wird. Der Kommentar der Interkantonalen Konferenz für Steueraufklärung ver-
merkt dazu:
„Unter Steuerabkommen versteht man Verfügungen, welche die zuständige Behörde im Ein- verständnis mit dem Steuerpflichtigen trifft und die den Bestand, den Umfang oder die Art seiner Steuerpflicht in einer von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Weise re-geln. Das charakteristische Merkmal von Steuerabkommen besteht somit darin, dass ein Steuer- pflichtiger nicht mehr nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften veranlagt und be-steuert wird, sondern dass Behörde und Steuerpflichtiger gemeinsam eine spezielle, nur für den jeweiligen Einzelfall geltende Ordnung vereinbaren.“ Diese spitzfindige Definition erinnert an die subtile CH-Unterscheidung zwischen Steuerhinterzie-hung und Steuerbetrug. Fakt ist, dass die Ansiedelung von Pauschalbesteuerten in der Regel von spezialisierten Anwaltskanzleien oder Treuhandfirmen in die Wege geleitet wird und diese bei den Steuerbehörden auch mit konkreten „Angeboten“ über das mögliche Steuersubstrat aufkreuzen. Verschiedene Kantone haben auch – formell oder informell – als Eintrittsschwelle gewisse steuer-bare Mindesteinkommen oder Mindeststeuerbeträge fixiert. Fazit: Von den gesetzlichen Steuer-
sätzen wird nicht abgewichen, die Höhe des pauschal veranlagten Einkommens ist jedoch durch-
aus Ermessens- und Verhandlungssache…
Wer profitiert von der Pauschalbesteuerung?
2008 profitierten gemäss einer Zusammenstellung der Finanzdirektorenkonferenz 5‘003 Millionäre
von diesem Steuerprivileg. In den letzten fünf Jahren hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt, 2003
wurden erst 2‘394 Pauschalbesteuerte gezählt. Grundsätzlich stellt es das Steuerharmonisierungs-
gesetz (StHG) den Kantonen frei, ob sie die Pauschalbesteuerung gesetzlich zulassen oder nicht.
Seit dem Erlass des StHG im Jahr 1990 haben alle Kantone diese Steuerform zumindest auf Geset-
zesebene eingeführt. Einzig der Kanton Zürich hat sie mit Volksentscheid vom Februar 2009 wie-
der abgeschafft.
Hochburgen der Pauschalbesteuerung in der Welschschweiz und im Tessin
Als erster Kanton hat die Waadt schon 1862 die Pauschalbesteuerung als Tourismus-Fördermass-
nahme eingeführt, 1928 folgte Genf, 1934 der Bund. 1990, beim Erlass des StHG, kannte jedoch
erst eine Minderheit welscher und Tourismus-Kantone dieses Steuer-Regime. Auch 2005 verzeich-
neten gemäss Bundesstatistik 11 von 23 Kantonen keine(n) einzige(n) Pauschalbesteuerte(n).
Hochburgen der Pauschalbesteuerung sind Wallis, Waadt, Genf und Tessin, auf sie entfielen 2008
fast drei Viertel aller Begünstigten. In diesen Kantonen macht der Steuerertrag der Pauschalbe-
steuerten auch über 1% der kantonalen Steuereinnahmen aus.
Was bringt die Pauschalbesteuerung ein?
Im Schnitt versteuerte ein Pauschalbesteuerter 2008 ein Aufwandeinkommen von 317‘000.- und
zahlte darauf rund 85‘000 Franken Steuern an Kanton und Gemeinden und 31‘000 Franken an den
Bund. Zum Teil deutlich unter diesen Werten liegen Wallis und Tessin sowie eine Mehrzahl der
Deutschschweizer Kantone. Die Pauschalbesteuerung erbrachte 2008 für Bund, Kanton und Ge-
meinden gemäss Finanzdirektorenkonferenz (FDK) total 577.1 Mio Franken. Gemessen an den
118.2 Milliarden Franken Steuereinnahmen von Bund, Kanton und Gemeinden sind das nach eige-
nen Berechnungen 0.49%.
Von Charlie Chaplin zu den Schein-Erwerbslosen
Ursprünglich war die Pauschalbesteuerung vor allem vermögenden Rentnerinnen und Rentnern
vorbehalten, die ihren Lebensabend in der Schweiz verbrachten („Lex Chaplin“). Mit der Einfüh-
rung der Personenfreizügigkeit wurden die Altersgrenzen fallengelassen. 2005 waren im Kanton
Zürich über zwei Drittel jünger als 65 Jahre. Statt pensionierter Grössen aus Film, Musik und Sport
machen immer mehr Business-Nomaden und „Schein-Erwerbslose“ vom Pauschalsteuer-Privileg
Gebrauch. Bei ihnen ist es mehr als zweifelhaft, dass sie in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit
nachgehen, managen sie doch offensichtlich über hiesige Holding- und Verwaltungsgesellschaften
ihre weltweiten Konzerne. Prominente Beispiele: Viktor Vekselberg (Renova-Management AG und
Beteiligungen an Sulzer, OC Oerlikon und Züblin), Ingvar Kamprad (IKEA), Milch-Mogul Theo Müller
(Alles Müller oder was?) etc.
Die Vekselberg-Connection
Ein Schein-Erwerbsloser aus dem Bilderbuch ist der mittlerweile von Zürich nach Zug gezügelte
russische Oligarch Viktor Vekselberg. Der „nicht-erwerbstätige“ Vekselberg präsidiert die Renova
Managment AG, die im Zürcher Hochhaus zur Palme drei Etagen gemietet hat und gut 20 Leute
beschäftigt. Die 31.2%-Beteiligung an Sulzer wird durch die in Zürich bei der Renova domizilierte
Liwet Holding AG gehalten. Diese wird ihrerseits zu 100% von zwei Unter-Holdings in Lar-
naca/Zypern kontrolliert, die wiederum als Filialen der Renova Innovation Technologies resp. Re-

nova Holding Ltd. in Nassau/Bahamas fungieren; die Renova Holding auf den Bahamas ist zu 100%
im Besitz eines Trusts in Tortola auf den British Virgin Islands, der nach dem Recht der Cayman Is-
lands zugunsten von Viktor Vekselberg errichtet worden ist. Ähnlich verschachtelt ist die Besitz-
Konstruktion bei OC Oerlikon und Züblin, dort tritt zusätzlich die Lamesa Holding SA in Panama in
Erscheinung. Da die CH-Beteiligungen nicht über die von Vekselberg – seinen Angaben nach ohne
Entschädigung – präsidierte Renova Management AG, sondern über ein Konglomerat ausländi-
scher Holdings, Stiftungen und Trusts gehalten werden, gilt der Oligarch im Inland formell nicht als
erwerbstätig…
Blocher sei Dank: Ausnahmebewilligungen im Ausländergesetz
Grundsätzlich können in der Schweiz nach dem alten und dem neuen, seit Anfang 2008 geltenden
Ausländergesetz (ANAG resp. AuG) nur erwerbstätige Ausländerinnen und Ausländer eine Aufent-
haltsbewilligung erhalten. Erleichterungen gab und gibt es u.a. für Personen in Ausbildung, Famili-
enangehörige und Rentnerinnen und Rentner mit einem persönlichen Bezug zur Schweiz. Gemäss
altem Recht konnten Nichterwerbstätigen auch Bewilligungen erteilt werden, „wenn wichtige
Gründe es gebieten“ (Art. 36 Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer, BVO). Dar-
unter fielen gemäss alter Praxis wichtige kantonale, namentlich kulturelle, wirtschaftliche oder
steuerliche Interessen, allerdings nur, wenn bereits Beziehungen zur Schweiz bestehen (BFA-Wei-
sungen Ziff. 555).
Nach dem neuen, im Dezember 2005 verabschiedeten AuG kann Nicht-Erwerbstätigen eine Auf-
enthaltsbewilligung erteilt werden, „um wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen“
(AuG, Art. 30, Abs. 1 lit.b). Vordergründig scheint die Formulierung enger gefasst als im alten
Recht. Die zugehörige Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) – am
24. Oktober 2007 auf Antrag von Bundesrat Blocher erlassen – nennt jedoch als wichtige öffentli-
che Interessen in Art. 32 neben „bedeutenden kulturellen Anliegen“ und „staatspolitischen Grün-
den“ ausdrücklich „erhebliche kantonale fiskalische Interessen“ (Art. 32, Abs. 1 lit. c).
In jüngster Zeit gaben im Kanton Genf Liegenschaftenkäufe zu exorbitanten Preisen durch kasachi-
sche und usbekische Multimillionäre und andere Angehörige und Freunde korrupter Autokraten
aus der ehemaligen Sowjetunion zu reden. Bei etlichen von ihnen besteht ein handfester Ver-
dacht, dass mit den Immobilienkäufen auch Geld gewaschen wurde. Praktisch alle werden pau-
schalbesteuert. Sie sind - Blocher sei dank - via Art. 32 VZAE zu ihrer Aufenthaltsgenehmigung ge-
kommen. Kein Wunder, kommt es auch dem Wirtschaftsanwalt Olivier Mach so vor, „als könnte
man die Daueraufenthaltsbewilligung kaufen“ (Preisexplosion für Genfer Villen, TA vom 30. Mai
2011).
Zürich beweist: es geht auch ohne
Nach der Annahme der AL-Initiative im Februar 2009 setzte der Zürcher Regierungsrat allen Pau-
schalbesteuerten eine Frist bis Ende 2010. Zum allgemeinen Erstaunen beschloss mehr als die
Hälfte der Pauschalbesteuerten - 109 von 201 - , den Wohnsitz im Kanton Zürich zu behalten. 92
sind weggezogen, davon 26 ins Ausland. Über 70 Prozent zogen in andere Kantone, davon 22 in
den Kanton Schwyz, 13 nach Graubünden, 6 in den Kanton Zug und 5 nach St.Gallen.
In den Villen der Weggezogenen wohnen jetzt regulär Steuerzahlende, die in der Regel mehr ein-
bringen als vormals die Pauschalbesteuerten. Die Verbliebenen zahlen jetzt nach ordentlichem
Steuertarif. Laut Medienberichten sind die Finanzvorstände der betroffenen Gemeinden mit der
Entwicklung überwiegend zufrieden. Detaillierte Zahlen wird man erst 2012 haben, wenn die
Steuererklärungen für 2011 vorliegen.
AL, SP und Grüne lancieren Initiativen in den Kantonen
Seit dem Erfolg der AL in Zürich sind in knapp einem Dutzend Kantonen Initiativen zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung eingereicht worden (GL, TG, SG, SH, LU, BE, AI, BS; BL, ZG). Bisher ist es zu zwei Abstimmungen gekommen, die die Berfürworter der Abschaffungsehr knapp verloren ha-ben: • Im Kanton Glarus hat die Landsgemeinde am 1. Mai 2011 einen Memorialantrag der Grü- nen zur Abschaffung nur hauchdünn abgelehnt, es musste dreimal ausgezählt werden; • In der SVP-Hochburg Thurgau erhielt die Abschaffungs-Initiative von SP und Grünen am 15. Mai 2011 47% Ja-Stimmen; angenommen wurde mit über 60% Ja-Stimmen ein Gegenvor-schlag, der eine deutliche Verschärfung vorsieht (10-facher statt 5-facher Mietwert als Be-messungsgrundlage, Mindeststeuerzahlung von 150‘000 Franken an Kanton und Gemein-den statt bisher 67‘000 Franken). Im September und November 2011 wird in Schaffhausen und St. Gallen abgestimmt. Dort kommen
die Initiativen jeweils mit einem Gegenvorschlag gemäss Empfehlungen der Finanzdirektorenkon-
ferenz (siehe unten) zur Abstimmung. Auch in Bern und Luzern beantragen die Regierungen Ge-
genvorschläge.
Gegen den interkantonalen Steuer-Tourismus
Bei der Abschaffung der Pauschalbesteuerung in einzelnen Kantonen besteht wenigstens teilweise
– wenn auch weniger dramatisch als angedroht – das Risiko einer Abwanderung in andere Kanto-
ne, was von einigen kantonalen Finanzdirektionen offen gefördert wird. Mit ihrer Initiative zur
landesweiten Abschaffung der Pauschalbesteuerung will die Alternative Linke diesem Steuer-Tou-
rismus einen Riegel schieben.
Auf Bundesebene: bloss kosmetische Retuschen geplant
In der April-Sondersession 2011 hat der Nationalrat die Abschaffung des Steuerprivilegs verwor-
fen. Die von der CVP initiierte Standesinitiative des Kantons St. Gallen zur Abschaffung der Pau-
schalsteuer wurde mit 92 zu 61 Stimmen abgeschmettert. Bundesrat und Finanzdirektorenkonfe-
renz planen eine geringfügige Verschärfung des Tarifs. Auf Bundesebene ist am 17. Dezember
2010 die Vernehmlassung bei Kantonen und Parteien zu einer Anpassung des Bundesgesetzes
über die direkte Bundessteuer und des Steuerharmonisierungsgesetzes abgelaufen. Gestützt auf
einen Vorschlag der Finanzdirektoren-Konferenz (FDK) sollen die Regelungen zur Pauschalbesteue-
rung verschärft werden:
• das steuerbare Einkommen soll neu das 7-fache des Mietwerts (bisher: das 5-fache) resp. das 3-fache des Pensionspreises (bisher das Doppelte) betragen; • Kantone und Bund sollen ein Mindesteinkommen festlegen, das auf jeden Fall versteuert werden muss (beim Bund sind 400‘000 Franken vorgesehen); • vorgesehen ist eine Uebergangsfrist von fünf Jahren. In der Vernehmlassung hat die SVP die Vorlage „als völlig verfehlt und unnötig“ abgelehnt. Die FDP ist zwar grundsätzlich einverstanden, verlangt aber eine Uebergangsfrist von zehn Jahren. Es ist damit zu rechnen, dass noch im Jahr 2011 eine Botschaft an das Parlament kommt. Mehr Infos zum Thema und zur AL-Initiative: www.pauschalsteuer-nein.ch Artikel für das Denknetz-Jahrbuch 2011

Source: http://niggischerr.ch/fileadmin/niggischerr/Texte/ns-pauschalsteuer-denknetz-110531-red-def.pdf

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